Die Parteien sind am Ende

Okt. 25, 2025 | Uncategorized

1 — Ein großer, spärlich beleuchteter Saal. Er steht sinnbildlich für das Ende einer politischen Ära. In einer Ecke haben sich die Parteibosse mit ihren Vertrauten versammelt. Sie sprechen gedämpft, beinahe verschwörerisch, als fürchteten sie das eigene Echo. Ihnen gegenüber, am anderen Ende des Saals, harren einige verlorene Parteimitglieder aus: Sie wirken unsicher und ratlos, beinahe vergessen. Dieses Bild ist ein Abbild der etablierten deutschen Parteienlandschaft unserer Zeit – eine Szene, so entlarvend wie unausweichlich.

2 — Es liegt ein schwerer, beinah erstickender Dunst von Autokratie und Selbstüberschätzung in der Luft. In jedem Satz und jeder Verlautbarung schwingt die Botschaft mit: »Wir allein haben das Recht zu regieren, und sonst niemand.« Wer fragt, stört. Wer zweifelt, provoziert. Wer widerspricht, wird etikettiert und moralisch geächtet. Es geht nicht mehr um das offene Ringen um Argumente, sondern darum, sich vor ihnen zu ducken. Kritik gilt nicht mehr als notwendiger Spiegel, sondern als Angriff auf die heilige Ordnung. Die Parteien haben aufgehört, politische Häuser zu sein. Sie sind zu Festungen geworden: ummauert von Ideologie, verteidigt mit Arroganz und leer im Inneren.

3 — Inhaltliche Auseinandersetzungen? Fehlanzeige! Orientierung? Verschwunden. Die Parteien tappen im Dunkeln. Ein kollektiver Blackout, befördert durch das Bewusstsein, dass ihr Einfluss bald enden wird, lähmt jede Initiative. Die Angst, Macht und Privilegien zu verlieren, erstickt jegliches Handeln im Keim. Die über lange Zeit errichteten ideologischen Brandmauern, die als Bollwerk gegen Extreme gedacht waren, blockieren inzwischen jeden Versuch, politisch kreative Lösungen zu finden. Nicht einmal miteinander zu sprechen ist noch möglich. Die Gelegenheit, Menschen außerhalb der eigenen Reihen zu überzeugen oder zu begeistern, ist vertan. Stattdessen bleibt man unter sich und grenzt all jene aus, die sich trauen, mutig ihre Meinung zu äußern.

4 — Die Idee des Stammwählers ist passé. Wer auf seine Klientel herabblickt, sie bevormundet oder verhöhnt, verliert sie – und das zu Recht. Wenn sich immer mehr Menschen von den Parteien abwenden, dann ist das weder ein Versehen und noch eine Verirrung, sondern die logische Konsequenz des eigenen Versagens. Trotzdem machen die Parteien weiter wie bisher. Sie schrecken vor Selbstkritik zurück und reagieren auf Verluste mit Trotz. Jede Abweichung gilt als Verrat, jedes Abwenden als Sünde. Die Schuld wird den Abgewanderten zugeschoben, nicht den hauseigenen Strategen. Ja, alt sind sie geworden, die Parteien – aber nicht ehrwürdig alt, sondern müde, verbittert und dumpf, starrsinnig und ignorant. Übrig geblieben ist eine Generation von Parteibeamten, die immer noch glaubt, sie könne durchhalten, indem sie lauter redet, obwohl ihr längst niemand mehr zuhört.

5 — »Rettet die CDU!«, ruft eine Stimme aus dem gut alimentierten öffentlich-rechtlichen Milieu. »Sie allein ist verlässlich, demokratisch und konservativ.« Man möchte lachen, wenn es nicht so erbärmlich wäre. Kabarett? Nein. Comedy? Auch nicht. Was dann? Es ist schmierige Polit-Influencerei, eine von zwangsverpflichteten Bürgern bezahlte Gefälligkeit, parteipolitisches Sponsoring, das sich zudem noch moralisch korrekt nennt. Welch groteske Ironie! Längst hat sich diese Partei selbst zu einem Fossil gemacht, zu einer Ruine inmitten einer Gesellschaft, die längst weitergezogen ist. Das ist keine Politik mehr, das ist Werbespot-Ästhetik. Das Pathos, mit dem sich die Parteien selbst bejubeln, wirkt wie eine schlechte Parodie dessen, was Politik einmal sein könnte: Zuhören, Argumentieren und das offene Wort. Stattdessen gibt es einstudierte Einmütigkeit, inszenierte Differenzen und kalkulierte Empörung.

6 — Unterstützt von einer Riege politischer Influencer und medialer Claqueure treiben die etablierten Parteien die Spaltung weiter voran. Dabei wird die eigene Moral zum Einfallstor für das, was sie selbst verhindern wollen. Unsichtbar gewordene Bürger suchen sich andere Wege, wodurch andere Parteien an Zuspruch gewinnen. Gerade diejenigen, die isoliert werden sollen, blühen in diesem Klima der angeblichen Überlegenheit auf. Während die einen an abgegriffenen Parolen festkleben, sind die anderen schon Schatten ihrer selbst. Die politischen Farben, einst ein Signal, sind verblasst. Grün und Gelb sind nur noch Spuren am Straßenrand.

7 — Am Ende bleibt der Saal: leer, hallend und kalt zurück. Wo einst Leben und Streit tobten, herrscht nun Schweigen. Die alten Parteien sind – bei allen Unterschieden – am selben Punkt angekommen. Sie haben ihren politischen Kompass und den Willen verloren, für die Gesellschaft mehr zu sein als ihr eigener Selbstzweck. Sie sind am Ende. Nicht in der Zukunft, sondern jetzt, in diesem Moment. Sie wissen es, und doch spielen sie weiter ihr Stück, als ließe sich das Ende durch markige Sprüche aufschieben. Alles ist bereits gesagt. Es ist vorbei. Der Apparat läuft zwar noch, doch die Realität hat sich längst abgewendet. Vielleicht liegt genau darin der Anfang von etwas politisch Neuem: jenseits der leeren Gebäude, jenseits der Parteien – draußen, wo das Leben weitergeht.

Curt Demos

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