Unsere Demokratie 2.0 in Ludwigshafen

Sep. 11, 2025 | Uncategorized

Unser Ludwigshafen hat ein Problem. Nur eines? dürfte sich mancher Leser fragen angesichts von Hochstraße, Hemshof, Haushaltsloch, explodierendem Sozialetat (100 Millionen Euro), 2.000 fehlenden Kitaplätzen, wiederholtem Schulversagen an der Gräfenaus­chule (37 von 147 Erstklässlern erhielten 2024 keine Versetzungsempfehlung) und dem SPD-Austritt der frustrierten Ober­bürger­meisterin Jutta Steinruck. Und damit ist noch nicht einmal die schwierige wirt­schaft­liche Lage der BASF erwähnt, an der auch die Politik ihren Anteil hat.

Wir glaubten sogar schon, die Oberbürgermeisterin an die Po­pulisten verloren zu ha­ben, als Steinruck am 22. April im ZDF bei Markus Lanz von Mi­granten berichtete, die nicht die kulturellen Besonderheiten unseres Landes kennen und auch beachten. Und das führt auch vor Ort zu ziemlich viel Unmut. […] Wir müs­sen for­dern: wenn ihr hier lebt, wenn ihr die Errungenschaften un­seres Sozialstaates nutzt, die ihr in anderen Ländern nicht habt, dann müsst ihr euch auch hier mit der Sprache be­fassen und sie auch lernen.

Nana, Frau Steinruck, so ein Bashing von Ausländern …

Nana, Frau Steinruck, so ein Bashing von Ausländern, das hören wir hier im „Speckgür­tel“ Bad Dürkheim gar nicht ger­ne. Und gar die Beherrschung der deutschen Sprache als Vor­bedingung für die Auszahlung von So­zial­leistungen zu fordern, das würde schon viele Biodeutsche überfordern. Zum Glück reihte Stein­ruck sich schon bald wieder unter die De­mokraten ein, wie wir weiter unten sehen wer­den.

Doch von all dem reden wir nicht, sondern − wieder einmal − von der AfD. Diese schickte einen aussichtsreichen Bewerber aus der Landtagsfraktion ins Rennen um den Oberbür­germeisterposten. Anfang des Jahres war die AfD in der Bundestagswahl in Ludwigshafen bereits stärkste Kraft mit 24,3% geworden. Wenn sie jetzt in die Stichwahl käme, wäre der Eindruck natürlich verheerend. Erst recht, wenn die AfD den Bürgermeister stellen würde, der vermutlich schonungslos mit der Politik seiner Vorgängerin abrechnen würde. Was also tun?

Der Wahlausschuss, bestehend aus Beisitzern, denen es zu wünschen ist, dass sie in besse­ren Zeiten in Ludwigshafen zur Schule gegangen sind, mit der OB Steinruck als Vorsitzen­den entdeckte den Paragraphen 53 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz: Wählbar zum Bürger­meister ist, wer […] die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche de­mokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. „Jeder­zeit“, so dachte man vielleicht, bietet eine griffige Handhabe, denn unter der Dusche schmetterte schon so mancher ein demo­krat­ie­feindliches „Kinder an die Macht!“ oder im Fuß­ball­sta­dion ein menschenwürdefeindliches „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“ Und so beug­te man sich über die bekannten Äußerungen des Ober­bürger­meister­kan­dida­ten Joa­chim Paul von der AfD.

Das fadenscheinige Süppchen des Verfassungsschutzes über den AfD-Kandidaten Joachim Paul

Der befragte Landesverfassungsschutz legte elf Seiten vor, die geleakt wurden und ein dünnes und fadenscheiniges Süppchen enthüllten. So hätte man das Schreiben auch einfach als wortreiches „Wir haben leider nichts ge­funden“ interpretiere­n können. Der Wahlausschuss entschied bekanntlich anders und so müs­sen wir uns hier mit dem Inhalt des Schreibens näher befassen.

Da wurde angeführt: Joachim Paul habe in J.R. Tolkiens „Herr der Ringe“ eine konservati­ve Geis­teshaltung des Autors am Werk gesehen, indem Tolkien die Protagonisten für eine Sache kämpfen ließ, die „größer als sie selbst“ sei.

Paul habe die Landesregierung kritisiert, sich nicht für Rheinland-Pfalz als Drehort für eine Neuverfilmung der Nibelungensage eingesetzt zu haben. Diese habe für Paul „eine große Bedeutung in Bezug auf nationalen Stolz“. Er habe ein Video-Seminar über das Ni­belungenlied angeboten.

Paul habe einen Artikel veröffentlicht, in dem er vor Clanstrukturen vor allem bei musli­mischen Einwanderern warnte. Die Gewalt sei „jung, männlich und orientalisch“, womit er fast wörtlich die Polizeipräsidentin Slowik aus dem weltoffenen Berlin zitierte. Er habe eine Protestaktion in Düsseldorf als „nötige Provokation“ gelobt, bei der ein arabisches (?) Straßenschild mit „Karl-Mar­tell-Straße“ überklebt worden sei. Karl Martell war der fränkis­che Hausmeier, der 732 bei Poitiers die arabische Invasion gegen das Frankenreich ab­ge­wehrt hatte. Es sei damit auf den eingewanderten politischen Islam und Moscheen in Deutsch­land hingewie­sen wor­den, die nach muslimischen Eroberern benannt worden sei­en. – Hier hätte Paul auch noch die Hamburger Demo von ca. 1.000 Personen vom 27. April 2024 für die Einführung eines islamischen Kalifats in Deutschland erwähnen kön­nen, auf der ein Redner ganz offen allen Geg­nern mit Konsequenzen nach der Macht­über­nahme drohte, oder den einen oder anderen islamistischen Terroranschlag wie zum Beispiel das tödliche Mes­ser­attentat gegen einen Polizisten in Mannheim. Über die gewählte Form der Protestaktion mögen die Meinungen auseinander gehen.

Paul habe in einem wei­teren Artikel auf die miserablen Zu­stände im Stadteil Hemshof hingewie­sen und die Schuld daran dem hohen Anteil an Anwoh­nern mit Mi­grationshintergrund gegeben. Der Großteil dieser Personen sei vom Staat fi­nan­ziell abhän­gig. − Wie Innenmi­nister Ebling (SPD) es einmal ganz richtig formulierte: Solche und ähnliche Gedanken sind tat­sächlich „in hohem Maße an­schluss­fähig an die Mitte der Ge­sellschaft“. Würde man be­stim­m­te gesellschaftliche­ Gruppen von der Kritik ausnehmen, hätte man nur ei­ne Diskriminierung mit um­gekehrten Vorzeichen ge­schaf­fen.

Paul habe angeblich ein Handzeichen gemacht, das in rechtsextremen Kreisen als „White Power“ interpretiert werde, weswegen eine Parteiämtersperre gegen Paul verhängt wor­den sei, was aber von der AfD nicht bestätigt worden sei. Diese Geste, bei der Daumen und Zeigefinger ein „O“ bilden, ist landläufig besser bekannt als Zeichen für „Okay“ oder für eine lobende Anerkennung. − Der Verfassungsschutz RLP wird viel Arbeit bekommen, wenn er alle diese Fälle verfolgen will.

Und dann immer wieder Kontaktschuld. Paul habe an dieser oder jener Veranstaltung teil­genommen oder sich mit diesen oder jenen Personen sehen lassen, die eben − wen wun­dert’s − nicht links sind, sondern rechts. Der Ver­fas­sungs­schutz setzt dabei auf die Schock­wirkung von bekannten Namen wie Martin Sellner oder Com­pact, wobei im Falle Sellners der Nachweis eines Kontakts noch nicht einmal gelingt und der Vorwuf bei Com­pact TV, das eine Reportage über Pauls Wahl­kampf drehte, auf feh­len­de „Berührungsän­gste“ lautet. Keine der genannten Or­gani­sa­tion­en oder Personen ist dem Schrei­ben zufolge wegen irgend­einer Straftat rechtskräftig verurteilt worden.

Wie urteilten Gerichte bisher zur Ver­fas­sungs­treue

Wir kommen zur rechtlichen Bewertung. In dem für die Beurteilung der Ver­fas­sungs­treue maßgeblichen Ur­teil des Bundes­ver­fas­sungs­gerichts von 1952 werden die wesent­lichen Elemente der frei­heitlich-demokratischen Grund­ordnung (FDGO) aufgezählt, für die Paul jederzeit mit Wort und Tat einstehen müss­te: die Men­schenrechte, die Volks­souveränität, die Gewal­tenteilung, die Ver­ant­wort­lich­keit der Regierung, die Gesetz­mäßigkeit der Ver­wal­tung, die Un­ab­hängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancen­gleich­heit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfas­sungs­mäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Ju­ris­tisch relevant sind nur konkrete, aktuelle, dem Kan­di­da­ten persönlich zure­chenbare Bestrebungen gegen die FDGO von hinreichendem Gewicht. − Es fehlt dem Verfasser an der Phantasie, in Pauls Vorliebe für Heldensagen oder seiner Kritik an kri­mi­nel­len Gruppen solche Bestrebungen zu er­ken­nen. Doch wie stellt sich die Beurteilung der Ver­fas­sungs­treue in der rechtlichen Praxis dar?

Der Radikalenerlass von 1972

Die Prü­fung eines Bürgerm­eisterkandidaten auf Verfassungstreue, der durch Wahl und Ernen­nung zu einem Wahlbeamten auf Zeit wird, hat ihre Entsprechung im Para­gra­fen 7 des Beamten­status­gesetzes, wo mit gleichlautender For­mulierung dasselbe für die Er­nen­nung von Be­amten (auf Lebenszeit) gefordert wird. Selbiger Passus ist nichts an­deres als der „Radi­ka­le­n­er­lass“ von 1972, der damals vor allem im Hinblick auf links­ex­treme und kom­mu­nis­tische Beamte von Bund und Län­dern erlassen wurde. Wir können somit in der umfangreichen Recht­sprechung zur Einstellung von Beamten nach ähnlich gelagerten Fällen suchen.

In einem Verfahren um die Einstellung eines Rechtsreferendars befasste sich das Bundes­verfassu­ngsgericht am 22. Mai 1975 erstmalig mit der neuen Regelung und stellte fest: „Die politische Treue­pflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im übrigen un­in­teressierte, kühle in­ner­lich di­stanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie for­dert vom Beamten insbesonder­e, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die die­sen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Ver­fas­sungs­ordnung an­greifen, bekämpfen und diffamieren.“

Fall Beck (1980): „Zweck­bündnis“ mit KPD führte zu Ablehnung

Eine erste Auslegung erfuhr das Urteil im Fall der Lehrerin Maria-Rita Beck von 1980, die mit der verbotenen KPD (Kom­mu­nis­ti­sche Partei Deutsch­lands) „in Ver­bin­dung“ stand und Plakate für diese klebte, gegen die Inhaftierung in­haf­tierter KPD-Mitglieder pro­testierte und an der Beerdigung des „Rote Armee Fraktion“-Terroristen Holger Meins teilnahm. Ihre Einstellung und Ver­be­amtung wurde abgelehnt, woran die Leh­rer­ge­werk­schaft GEW damals heftige Kritik übte.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung und führte unter anderem aus, dass „Zweck­bündnisse“ − jedenfalls wenn sie wiederholt geschlossen würden − mit links­ex­tre­mistischen, kommunistischen Organisationen angesichts der für einen Beamten gebotenen Dis­tan­zierung für die Bewertung von Relevanz sein könnten. Die KPD war 1980 schon über zwanzig Jahre verboten. Die Lehrerin konnte später vor dem bayerischen Ver­wal­tungs­gerichtshof eine Aufhebung des Entscheids erreichen, weil sie sich glaubhaft vom Kommunismus losgesagt hatte, die sieben Jahre zurückliegenden Kontakte zu kom­munistischen Gruppen für doch nicht „nachhaltig und langfristig genug“ gehalten wur­den und eine weitere An­schuldigung fallen gelassen worden war. − Im Un­ter­schied zur zuletzt obsiegenden Leh­re­rin Beck hat Joachim Paul laut Verfassungsschutz von vorne­he­rein keine Kontakte oder „Zweckbündnisse“ mit ver­botenen Organisationen wie der KPD oder (toten) Ter­ro­risten geschlossen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in dem Urteil auch aus, dass die vom Dienstherr vorgenommene Beurteilung der Persönlichkeit von der gerichtlichen Nach­prü­fung mehr oder weniger ausgenommen bleiben sollte. Die Tatsache, dass das Verwaltungsgericht Neustadt einen „erheblichen Prüfungs- und Begründungsaufwand“ bei den Erkenntnissen des Ver­fas­sungsschutzes sah und unter anderem des­wegen den Eilantrag abwies, lässt hoffen, dass sich das Gericht nicht auf diese Argumenta­tion zurückziehen wird.

Fall III. Weg (2022): Mitgliedschaft in verfassungsfeindlicher Partei schließt juristischen Vorbereitungsdienst aus

In einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Münchens von 2022, das vom Bundes­verwaltungsgericht bestätigt wurde, wurde die Ablehnung eines Rechtsreferendars und Funk­tionärs der Partei „III. Weg“ für den juristischen Vorbereitungsdienst bestätigt, da es sich bei dieser Partei um eine Organisation handele, die darauf ausgeht, die freiheitliche demo­kra­tisc­he Grundordnung zu bekämpfen bzw. zu beseitigen, dies in kämpferisch aggressiver Weise geschehe und der Bewerber dieses Ziel maß­geblich selbst unterstütze. In der Tat bezeichnet sich die Par­tei schon auf ihrer Homepage als „nationalrevolutionär“, strebt also unzweideutig eine Umwälzung der bestehenden poli­tischen Ordnung an. Hier war also die Sachlage wesentlich eindeu­tiger als im Fall Joachim Paul. Die AfD ist bisher von keinem Gericht als ver­fassungs­feindlich eingestuft wor­den. Die Beurteilungen der verschiedenen Bundes- und Landesverfassungsschutzämter sind rechtlich gesehen nur behördliche Meinungsäußerungen.

Fall Csaszkóczy (2006): Mitgliedschaft in einer mi­li­tanten Gruppe muss einer Verbeamtung auf Lebenszeit nicht im Weg ste­hen

Sehr interessant ist der Fall des Heidelberger Lehrers und Antifa-Aktivisten Michael Csasz­kóczy, dem das Verwaltungsgericht Karlsruhe 2006 erstinstanzlich bescheinigte, sich ausdrücklich zur Militanz als legitimem Mittel im Kampf und zu den Zielen der „Antifas­chistischen Initiative Heidelberg“ (AI HD) zu bekennen. Diese stelle sich selbst als eine Gruppe dar, die davon überzeugt sei, dass sich auf parlamentarischem Weg an den herr­schenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern werde. Bei den Ak­tivitäten der AI HD sei es mehrfach zu Ausschreitungen gekommen. Wer aber das System der parlamentarischen Demokratie und das Gewaltmonopol des Staates über ein Jahr­zehnt hinweg bekämpfe, begründe Zweifel an seiner Verfassungstreue und könne kein Beamter werden.

Der von Csaszkóczy angerufene baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH BW) in Mannheim sah es anders. Dabei war für den VGH maßgeblich, dass das Ver­wal­tungs­gericht Karlsru­he bei seiner Entscheidung wesentliche Punkte – wie das Verhalten des Klägers im bereits absolvierten Vorbereitungsdienst und dessen mit Bürgermedaille aus­ge­zeich­netes privates Engage­ment für Kinder und Jugendliche – nicht hinreichend berücksichtigt habe. Auch die Csasz­kóczy vorgehaltene „Sündenliste“ mit zahlreichen Einzelvorfällen sei nicht geeignet gewe­sen, die Annahme mangelnder Verfassungstreue zu rechtfertigen. Das Urteil des VGH BW, das für Rheinland-Pfalz nicht einschlägig ist, ist sehr über­ra­schend; offenbar muss noch nicht einmal die Mitgliedschaft in einer mi­li­tanten, auf Um­sturz bedachten Gruppe einer Verbeamtung auf Lebenszeit im Weg ste­hen.

Eilverfahren erste Instanz: „Kontaktschuld“ rechtfertigt genauere Prüfung

Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt verwies Paul im Eilverfahren auf das nach­träg­liche Wahlprüfungsverfahren und begründete dies unter anderem mit dem Anlass zu der Annahme, dass er aktiv Beziehungen zur ,Neuen Rechten‘ unterhalte, die […] sich auf die ,ethno­kulturelle Identität’ (Ethnopluralismus) als zentrales Zugehörigkeitsmerkmal zur Ge­meinschaft fokussiere, womit sie sich nach – jedenfalls nicht willkürlicher – Ein­schät­zung des Innen­mi­nisteriums in Widerspruch zum freiheitlichen Wesen des Grundgesetzes setze. Von „Zweck­bünd­nissen“ mit ver­bo­tenen Parteien oder der Mitgliedschaft in offenkundig ver­fas­sungs­feind­lichen oder so­gar militanten Organisationen ist das meilenweit entfernt, das VG Neustadt adelt damit das Prinzip der Kontaktschuld. Für das Hauptsacheverfahren vor dem VG Neustadt lässt das nichts Gutes erahnen.

Eilverfahren zweite Instanz: Paul drückte sich nicht klar genug aus

Das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz (OVG RLP) in Koblenz, das auch in zweiter Instanz Pauls Eilantrag auf Zulassung zur Wahl verwarf, verwies in seiner Be­grün­dung auf Pauls Verwendung des Begriffs „Remigration“, den dieser schon verwandt habe, bevor er im Wahlprogramm der AfD 2025 (ein erstes Papier gab es schon im Januar 2024) ge­setzes­konform als konsequente Ab­schiebungspolitik und er­leich­terte Abschie­bung von aus­län­dischen Straftätern definiert worden sei. Er habe es damals versäumt, sich von ei­nem an­deren Verständnis von Re­mi­gration zu dis­tan­zieren. − Es darf sehr bezweifelt werden, ob eine solche Unschärfe bereits eine Be­stre­bung „von hinreichendem Gewicht“ gegen die FDGO darstellt. Der Kandidat habe etwas gesagt, was nicht im Ein­klang mit der FDGO stehen könnte. Um das OVG Koblenz selbst zu zitieren: Die Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers müssten aber auf Umständen beruhen, die – einzeln oder in ihrer Gesamtheit – von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Be­trach­tungsweise unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung des passiven Wahlrechts geeignet seien, ernste Besorgnis an das künftige jederzeitige Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung auszulösen. Man wird also nachlegen müssen, der Verfassungsschutz dürfte schon daran arbeiten.

Whistleblower mit Störgefühl in der Ludwigshafener Stadtverwaltung

Bei aller Bestürzung über das Manöver des Ludwigshafener Wahl­aus­schus­ses und vor allem die Begründung der Eilurteile erkennen wir in der Epsiode auch gute Seiten: Offen­sicht­lich gab es bei der Stadt­ver­waltung Lud­wigshafen mindestens einen Whistleblower mit einem Störgefühl und beträchtlicher Zivil­courage. Und zweitens, dank neuer kri­ti­scher Medien − hier ist das Portal nius.de zu nen­nen, das neue Sturm­ge­schütz der De­mo­kratie, das den geleakten Bericht veröffentlichte − bleiben die Hin­ter­grün­de solcher Versuche eines Partei­ver­bots durch die Hintertür nicht mehr im Dun­keln. Es bleibt, drittens, trotz allem zu hoffen, dass das Ver­wal­tungsgericht Neustadt der Demokratie 1.0 in Ludwigshafen im nachträglichen Wahl­prü­fungsverfahren wieder zu ihrem Recht verhilft. Die wahlverzerrende Stigmatisierung Joachim Pauls wird das Gericht aber nicht mehr rückgängig machen können.

Die „gewaltbereite“ Andrea Nahles (SPD): „Ab morgen kriegen sie in die Fresse!“

Wenn die Stadt Ludwigshafen und Oberbürgermeisterin Steinruck mit ihrem Wahl­aus­schluss vor den Gerichten mit ihren − bisher jedenfalls − dünnen Belegen durchkämen, trotz der „hohen Bedeutung des passiven Wahlrechts“ (OVG RLP), würden aus­sichts­reiche Kan­di­da­ten, vor allem der AfD, wohl zukünftig immer auf miss­zu­ver­stehende Äu­ße­run­gen ab­ge­klopft und „im Erfolgsfall“ von der Wahl aus­ge­schlos­sen werden. Dann aber glei­ches Recht für alle, auch bei anderen Parteien lassen sich sei­ten­weise miss­verständliche Zitate finden, es sei hier nur an die „gewalt­be­rei­te“ SPD-Vor­sit­zende Andrea Nahles mit ihrem „Ab morgen kriegen sie in die Fresse!“ (an die Adresse der CDU) erinnert.

Um das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts­urteil von 1952 zu zi­tieren: Teil der FDGO ist auch „die Chan­cen­gleich­heit für alle po­li­tischen Parteien mit dem Recht auf ver­fassungsmäßige Bil­dung und Ausübung einer Op­position.“ Ein Schelm, der Böses denkt, könnte die verfass­ungs­feind­li­chen Bestrebungen auch ganz woanders suchen.

Weblinks:

Fall Maria-Rita Beck:
https://www.gew-bayern.de/berufsverbote/die-entwicklung-der-rechtssprechung

Fall des Funk­tionärs des „III. Wegs“:
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2022-N-38953?hl=true

Fall Michael Csaszkóczy:
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Csaszk%C3%B3czy

Wolfgang Fallot-Burghardt

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner